Mont Ventoux

Der Mont Ventoux ist bereits bei der Fahrt durchs Rhônetal zu sehen –er ist allgegenwärtig in der zentralen Provence. Die Kuppe mit Radarstation, Fernsehsender und Observatorium ist kahl und auch im Sommer weiß schimmernd unter blauem Himmel. Leuchtend weißes Gestein und Geröll aus Kalkstein vermittelt die Illusion einer schneebedeckten Kuppe, ehre einem Buckel in der Landschaft ähnelnd als einem fast 2000m hohen Berg. Eigentlich hat er nichts Spektakuläres an sich, aber mit der Zeit gewinnt man ein fast eigenartiges Verhältnis zu ihm: Er gehört immer selbstverständlicher dazu und wenn er sich in Wolken hüllt, fehlt etwas.

Sicher ist es schon vielen Sarrians-Freunden auf ihrer Fahrt in unsere Partnergemeinde so ergangen: Wenn man den Mont-Ventoux endlich erblickt hat, weiß man, dass das Ziel Sarrians jetzt greifbar nahe liegt.

Mont-Ventoux - zu Recht trägt er seinen Namen: Ventoso, der Windige. Die Temperaturen auf dem Gipfel liegen durchschnittlich um 11 Grad unter denen am Fuße des Berges. Dementsprechend unterschiedlich ist auch die Vegetation, die aus der mediterranen Landschaft bis fast in polare Klimazonen reicht. Am Fuße des Mont-Ventoux gedeihen Oliven und Wein – auf dem Gipfel schließlich findet man nur noch Geröll, dazwischen wechseln sich grüne Buchen- und bizarre Zedern-, silbrige Weißtannen- und dunkle Latschewälder ab. Diese wurden allerdings ab 1860 unter großen Mühen neu angelegt, nachdem jahrhundertelang der Berg kahlgeschlagen wurde, um in Toulon Schiffe zu bauen.

Ein Besuch des Mont-Ventoux lohnt sich fast immer. Bei gutem klarem Wetter hat man einen herrlichen Blick über die ganze Provence. Von den Meeralpen im Süden bis in die Camarque, unmittelbar zu Füßen des Tal der Rhône, im Osten die Gipfel der Alpen. Bei allerbester Sicht soll man sogar Korsika und die Pyrenäen andeutungsweise erkenne. Meist ist es jedoch dunstig und die Fernsicht dadurch eingeschränkt, vor allem um die Mittagszeit. Aber selbst bei scheinbar schönem Wetter - blauem Himmel und einzelnen weißen Wölkchen – kann es durchaus passieren, dass diese hübschen kleinen weißen Wölkchen plötzlich am Gipfel regelrecht festkleben und immer weiter wachsen. Von Fernsicht kann dann keine Rede mehr sein. Im Gegenteil, ohne Vorwarnung fährt man so ab 1500 m Höhe in die Wolken und von der recht schmalen Straße kann der Straßenrand nur noch erahnt werden. Dass der Gipfel erreicht ist, weiß nur, wer schon einmal oben war. Wer also so schnell wie möglich wieder nach unten will, weil der Wind einem die Autotür fast aus der hand reißt, muss sich langsam den Weg entlangtasten. Die Straße bergabwärts ist durch die weißen Wolken und das weiße Gestein nur als etwas dunkler Streifen zu erkennen und wenn sich die Wolken am Berg stauen, fährt man bis auf fast 500 m mit schwitzenden Händen und pochendem Herzen in dieser grauen Welt. Denn Straßenbegrenzungen, Leitplanken oder ähnliches existieren nicht, lediglich der Berg auf der einen und nichts auf der anderen Seite.

Doch auch bei klarem Wetter ist die Fahrt auf den Mont-Ventoux außergewöhnlich schön. Am eindrucksvollsten ist die Auffahrt von Malaucène her, die Abfahrt wiederum ist nach Süden hin, in die Sonnenwärme, das größte Erlebnis.

Oder man wandelt auf Petracars Spuren den Berg hinauf, der den Mont-Ventoux im April 1336 mit seinem Bruder angeblich als erster bestiegen haben soll. Das ist freilich falsch: Die teilweise sanft ansteigenden Flanken des Ventoux waren nie ein Hindernis für Hirten, Kräutersammler und Holzfäller. Petrarca selbst erzählt von einem Hirten, der ihm riet, umzukehren. Aus dessen Sicht verständlich: Was soll ein Hirte in einer Steinwüste. Petrarca, von Wissensdurst und Erfahrungsdrang getrieben, ließ sich nicht zur >Umkehr bewegen. Und dann stand er, „durch einen ungewohnten Hauch und einen gänzlich freien Rundblick bewegt, einem betäubten gleich", auf dem Gipfel.

Seine Eindrücke schrieb Petrarca nach dem Abstieg nieder – es war dies die Geburtsstunde des Alpinismus: Zum ersten Mal war ein berg nur des Erlebnisses wegen bezwungen worden.

Wer dieses Erlebnis nacherleben will, nimmt den bequemeren Anstieg von Norden her. Der Anstieg von Süden ist zwar am kürzesten und schönsten, aber auch am schwierigsten. Im Sommer 1992 haben einige Biebertaler dieses Abenteuer bereits nachvollzogen. Allerdings standen die meisten Wanderer nicht wegen dem Sonnenaufgang und dem Fernblick „einem Betäubten" gleich, sondern wohl eher vor Erschöpfung.

Übrigens, auch mit dem Fahrrad kann der Ventoux bezwungen werden, wie die Pour de France beweist – allerdings sollte man das wirklich nur absolut geübten Fahrradprofis überlassen.

Haben Sie jetzt ein wenig Lust bekommen, das Wahrzeichen der Provence näher kennnenzulernen? Ich würde mich freuen!

Christine Czarski

Kurz vor dem Gipfel!
Kurz vor dem Gipfel!
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